Homo consumens

Aus dem einstmals aufgeklärten selbstbestimmten homo sapiens ist in einer Phase der Degeneration durch materiellen Überfluss der homo consumens entstanden. Der tägliche Überlebenskampf gehört für diese Spezies, die vor allem die westlichen Industrienationen bevölkert, nur noch indirekt auf die Tagesordnung. Die Hauptaufgabe der Vertreter dieser immer größer werdenden Gattung ist das Konsumieren und sich dabei an der Nase herumführen lassen. Interessanterweise ist gerade der Geruchssinn aber am weitesten davon entfernt sich austricksen zu lassen: Man kann sich einen Gestank nicht „schön“ riechen, sich auch durch gekonnte Suggestion nicht einbilden, etwas rieche doch gar nicht soooo schlimm. Nein: Wenn mir etwas stinkt, dann helfen keine Argumente: Die Nase ist eigentlich unbestechlich. Unangenehme Gerüche gehören somit zum lästigsten, was einem Menschen passieren kann, weil er nicht einfach wegriechen kann. Damit sich Mensch nun in der schönen Konsumwelt wohl fühlen kann, muss es da „gut“ riechen und zwar möglichst für alle. Das Tilgen schlechter Gerüche und Ersetzen durch bessere war für die Menschheit immer schon erstrebenswert. Bis Anfang des letzten Jahrhunderts bediente sich man dabei der Wohlgerüche, welche in der Natur vorzufinden waren. Die Parfümeurskunst beschränkte sich nicht nur auf das Komponieren verschiedener Duftnoten, sie schloss auch die Gewinnung der Düfte aus Pflanzen mit ein. Erst mit der Entwicklung synthetisch herstellbarer Düfte fing dieSinnestäuschung an. Inzwischen ist der Mensch in der Lage so ziemlich alles umzubeduften und damit seinen von Natur aus untrüglichsten Sinn zu hintergehen. Körpergerüche werden längst über das hygienisch notwendige Maß hinaus verfremdet und unterdrückt. Welche Auswirkungen das für unser Zusammenleben hat, lässt sich nur erahnen: Schon im Neugeborenenalter werden die natürlichen Gerüche von synthetischen überdeckt. Dabei weiß man längst, wie wichtig für die Bindung zwischen Mutter und Kind das gegenseitige Beschnuppern ist. Was aber, wenn ich am Kopf meines Babys denselben Duft wahrnehme, wie er dem Kinderwagen der Nachbarin entströmt, weil sie dieselben Pflegetücher und dasselbe Waschmittel verwendet? Wäre eine interessante Studie: Bindungsstörungen zwischen Mutter und Säugling im Zusammenhang mit synthetischen Duftstoffen. Eine Hebamme hat mir erzählt, dass die Phänomene Schreibaby und Wochenbettdepression nur in den Industrieländern vorkommen. Könnte da nicht die olfaktorische Verwirrung des Mutterinstinkts zumindest teilweise eine Erklärung liefern?
Die bunte Warenwelt drängt sich uns durch vermeintliche Wohlgerüche auf: Wir sollen kaufen und nicht riechen, was Sache ist! Wir glauben Zitronen und Orangen zu riechen, dabei sind es bestenfalls fraktionierte Bestandteile aus ihren Ölen. Erdbeere und Apfel im Shampoo? Falscher Alarm für die Sinne! Es gibt nichts, was nicht umsatzsteigernd beduftet wird – in den seltensten Fällen allerdings sind dabei Düfte natürlichen Ursprungs im Spiel. Vielmehr werden unsere Riechgewohnheiten durch synthetische Duftstoffe verbogen. Allerdings sind die Riechnervenzellen erfreulich flexibel und erneuerbar: Es ist durchaus möglich sich von künstlichem Weichspülfrüchteteefeuchttücherparfum wieder zu entwöhnen: Das sollte sich jeder, der seinem Instinkt trauen können möchte, tun!

Zur Entwöhnung von synthetischen Düften empfehle ich eine ganz einfache Riecherfahrung: Wie riecht ein Tröpfchen zwar verdünntes aber echtes Lavendelöl auf meiner eigenen Haut, wie auf der meines Mannes, meiner Kinder, meiner besten Freundin? Noch verblüffender ist diese Erfahrung mit Rosenöl. Die Wandlungsfähigkeit natürlicher Düfte in Abhängigkeit von ihrem Träger lässt sich auf alle naturreinen Duftstoffe übertragen. Die Gegenprobe liefert konventionelle Seife mit möglichst aufdringlichem Parfum: Es werden bei den Probanden kaum Unterschiede im Duft festzustellen sein!

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