Tolle Tage

Bunt tut gut. Selbst wenn man nicht akitv am närrischen Austreiben des, nunja, „Winters“ teilnimmt. Müdigkeit, Infektanfälligkeit und Antriebsschwäche erreichten vergangene Woche bei vielen Zeitgenossen den saisonüblichen Höhepunkt. Selten so viel Rosmarin und Grapefruit unter Nasen aller Altersgruppen und Geschlechter gehalten. Und wie schön, wenn man dann die Sonne in den dazugehörigen Gesichtern aufgehen sieht, tags darauf gar neue Farbtupfer in der Garderobe! Am tollsten aber war eine Begegnung mit dem Schatzkästlein einer lieben Kundin. Sie hatte originalverschlossene ätherische Kostbarkeiten vorbildlich kühl und dunkel gelagert und vergessen: Im Keller, seit Jahren. Die Frage war, was noch zu brauchen sei aus der ätherischen Hausapotheke. Teebaum, Kiefer, Lemongrass – die ganzen reaktionsfreudigen Frischlinge eben, hatten trotz Luftabschluss und Dunkelhaft den Weg ins Freie geschafft: Es war zum Teil bis zu einem Viertel verduftet und der Rest war fast zur Unkenntlichkeit oxidiert. Auch die Orange (MHD Juli2012) hatte einen deutlichen Stich und taugt höchstens noch als Ameisenschreck. Unglaublich gut roch aber noch die Zitrone, da habe ich für die Raumluftbeduftung grünes Licht gegeben – Körperkontakt würde ich mit so einer antiken Zitrusfrucht vorsichtshalber meiden, auch wenn sie noch so gut riecht. Bergamotte, Lavendel, Geranie – trotz MHD-Überschreitung von 18 Monaten überzeugen mit einem runden, überaus typischen aber viel tieferen, reifen Duft. Diesen kann ich bei frischen Chargen nur ahnen. Würde ich mich in einer 1%igen Verdünnung im Körperöl schon trauen. Erwartungsgemäß waren natürlich Rose (dest), Jasmin und Sandelholz, die ich aus Ehrfurcht eigentlich auf Knien hätte öffnen sollen, ein olfaktorischer Traum, der nur alle paar Jahre in Erfüllung geht. Den Oscar für die beste Nebenrolle im Duftantiquariat erhält der Muskatellersalbei: Wow, was für eine reife Leistung! Er hat in den Jahren im Verließ alle krautige Modrigkeit und den oft beklagten Muff in vollendete Balsamschwere, pudrige Gewürzeleganz und seelentröstende Süße verwandelt. Ein idealer Begleiter aus der winterlichen Trägheit hinaus ans Frühjahrslicht!

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